Januar 16, 2022

Lauterbach-Watch, Staffel 1, Folge 2: Impflicht. Nein Danke?

Im Februar bzw. März soll der Deutsche Bundestag darüber entscheiden, ob und in welcher Form das einstige Versprechen – oder vielleicht auch der einstmalige und mittlerweile bereute Versprecher? – von Olaf Scholz, eine Impfpflicht einzuführen, realisiert werden soll. Hierzu liegen mit Datum von heute (16.01.22) bislang nur Grundzüge eines Gesetzentwurfes vor, der eine Ablehnung der allgemeinen Impfpflicht avisiert: dafür verantwortlich zeichnet eine Parlamentariergruppe um den einstigen FDP-Generalsekretär und jetztigen Vize-Präsidenten des Deutschen Bundestags. Mittlerweile ist die Impfplicht im Bundestag gescheitert (April 2022). Die Debatte selbst ist aber wohl kaum beendet, denn Strategen überlegen, sie im Herbst neu aufzurollen.

Die Brisanz des Themas, die Strategen im Bundestag daher als „Gewissensentscheidung“ fassen und den Fraktionszwang auflösen wollen, liegt auch darin, dass jenseits der medialen Kampfgeschütze die Expert:innen in Medizin, Virologie, Epidemiologie und Justiz ebenfalls sehr gespalten sind bzw. bislang nicht zu einem Konsens kommen sollten. Was zunächst für skeptische Menschen der Impfpflicht eine gute Nachricht sein könnte, mag allerdings nach hinten los gehen. Wenn sich die Experten – und vielleicht sogar die Politiker:innen – nicht einig sind, bedarf es eine „Machtwortes“ von Seiten des Kanzlers. Das könnte jedenfalls die Erwartungshaltung der (nicht wenigen) Impfbefürworter sein.

An dieser Stelle sollen nicht die verschiedenen Fassetten dieser diskursiven Koagulation in den Kapillaren des medialen Raumes, einst als politische Öffentlichkeit bezeichnet, rekonstruiert werden. Stattdessen will diese kurze Folge von Lauterbach-Watch die Kontinuität und Komplexität der Argumente der Skeptiker in Erinnerung rufen, deren Einlassungen und Aussagen zwar in sich selbst höchst divergent sind, aber nichtsdestotrotz in der These kulminieren, dass eine (allgemeine) Impflicht auf der Grundlage der derzeitig vorliegenden Evidenz zur Wirksamkeit der Impfstoffe eine massive Einschränkung der körperlichen Unversehrtheit nicht rechtfertigen.

Da nützt es auch nichts, wenn staatstragende Philosophen wie Jürgen Habermas darüber nachdenken, wie ein gesundheitlicher Notstand staatsrechtlich oder staatsphilosophisch begründet werden könnte (für eine scharfe Kritik an Jürgen Habermas‘ irrender Intention: hier). In dieser eminent wichtigen Frage ist es nötig, sich mit der vorliegenden empirischen Evidenz der Argumente pro und contra Impfpflicht auseinanderszusetzen und dann auch in das „kalte Wasser“ der Transdiziplinarität zu springen. Staubige philosophische, auslegungskontroverse rechtswissenschaftliche oder (recht grobschlächtige) politikwissenschaftliche Argumente reichen für eine Begründung oder Ablehnung der Impfpflicht nicht (mehr) aus. Die Impfplicht ist zu wichtig als sie den eindimensionalen Expert:innen zu überlassen. Transdisziplinarität ist gefragt: Hic Rhodus, hic salta!

Die unfertigen Daten der Zulassungsstudien: Peter Doshi

Bereits die Zulassungsstudien der mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna, aber auch der sog. Vektorimpfstoffe von Astra Zeneca und Janssen Cilac (Johnson & Johnson) zeigten, dass die Wirkungseffekte der Anti-Covid-19-Impfstoffe nur sehr schmal definiert wurden. Das ist zunächst erst einmal gar nicht überraschend, denn entgegen dem treuherzigen Glauben in der politischen Öffentlichkeit, dass die Zulassung von Impfstoffen, die auf Wirksamkeit geprüft wurden, bedeutet, dass alle möglichen guten Dinge von diesen erwartet werden können und die natürlich aus offensichtlichen ökonomischen und auch politischen Interessen politisch auch vermarktet werden (die Public Relations-Industrie spielt hier möglicherweise eine größere Rolle, als bisher bekannt ist), sind solche Erwartungen für Eingeweihte in die Theorie und Praxis der Arzneimittel- und Impfstoffzulassung, also den Freund:innen der evidenzbasierten Medizin, höchst fragwürdig.

Zulassungsstudien müssen eine (gesetzlich definierte) Wirksamkeit von Arzneimitteln und Impfstoffen belegen, die aber erst einmal in den Studien selbst definiert und operationalisiert werden muss. Wobei hier zunächst einmal von dem gar nicht so unwichtigen Problem abgesehen wird, dass die „Hersteller“ zunehmend die globalen Regeln der Arzeimittelzulassung festlegen, in der Health Policy Research-Community ist dieses Intransparenzproblem demokratischer Steuerung als „regulatory capture“ bekannt (siehe auch das erhellende Buch von Fritz Glunck, „Schattenmächte“). Was aber heißt denn nun „Wirksamkeit“ in diesen Studien? Wirksamkeit heißt, dass sogenannte „Endpunkte“ definiert und operativ messbar gemacht werden müssen, damit statistische Überprüfungen von „der“ Wirksamkeit von Studien überhaupt möglich sind. In Erinnerung an die „Pilotfolge“ von Lauterbach-Watch sei an das Konzept des Outcomes bzw. der abhängigen Variablen oder des Explanandum erinnert. Endpunkte sind genau das.

Die Endpunkte sind in jeder Zulassungsstudie ähnlich operationalisiert worden. Der langjährige (Mit-)Herausgeber des British Medical Journal (BMJ), Peter Doshi, erklärte in dem Blog der britischen Fachzeitschrift vom November 2020 bereits, dass die ihm vorliegenden Studienergebnisse zu den mRNA-Impfstoffen von Pfizer und Moderna äußerst enttäuschend seien. Insbesondere kritisiert er die Zurückhaltung der „raw data“, d.h. der Rohdaten, die erst eine vollständige Replikation der Forschungsergebnisse und Interpretation möglich machen würden und damit eine eminent wichtige Forderung der wissenschaftlichen Qualität von Studien erfüllen könnten: nämlich die Validität und Reliabilität der Ergebnisse zu überprüfen. Zwei nachfolgende Blogeinträge, die Kritiken und Zuschriften von Kolleg:innen zu dem Blog, aber auch die ausführlichen Zusammenfassungen der Rohdaten reflektierten, haben seine skeptische Sichtweise bestärkt und präzisiert. Sie sind es wert und sollten als seriöse Skepsis über die Wirksamkeit der Impfstoffe (wobei es sich um neuartige Impf“stoffe“, nämlich bzgl. der mRNA-Impfstoffe um neue Verfahren der Herstellung, Verabreichung und Wirkmechanismen handelt!) zu Beginn der Impfstrategien wahrgenommen zu werden.

Vorbemerkung: Totschweigen ist keine alternative Gesundheitspolitik!

In Deutschland wurden die Thesen von Peter Doshi nur in der pharmakritischen Publikation des BUKO-Pharma (Pharma-Brief 10/2020) zitiert. Selbst im Deutschen Ärzteblatt finden sich praktisch keine eigenständigen Hinweise auf diese skeptische Sicht von Peter Doshi (außer in einigen vehementen Leser:innenreaktionen, in denen ein André B. mit mehreren Beiträgen auffällt). Nebenbei erwähnt: Youtube hat einen Konferenzbeitrag von Peter Doshi, in dem dieser auf die nach seiner Auffassung unhaltbare These einer „Pandemie der Ungeimpften“ hingewiesen hat, gesperrt, mit dem Hinweis, dass es „gegen die Community-Richtlinien von Youtube“ verstoße.

Diesen Vorwurf des Internetriesen (letztlich: Google) zu prüfen, ist nicht möglich, weil intransparent. Aufgrund seiner wissenschaftlichen Kompetenz (Peter Doshi hat eine Vertretungsprofessur an der University of Maryland für evidenbasierte Medizin inne und ist Mitherausgeber („senior editor“) einer der wichtigsten medizinischen Fachzeitschriften der Welt, eben: BMJ) und seiner herausgehobenen kritischen Sicht auf die Zulassungsstudien liegt allerdings der Verdacht nahe, dass es sich hier um eine rechtsethisch und demokratietheoretisch höchst fragwürdige Zensur handeln könnte (das Panel selbst, an dem er teilnahm, ist hier in voller Länge zu sehen [Peter Doshis Kurzstatement ist bei Time Code: 1:48:48h einsehbar]; es handelt sich bei der Konferenz nahe dem US-Kongress um eine der NGO Children’s Health Defense, die bisweilen als fudamentalistische Anti-Impfungsorganisation kritisiert wird und dessen Gründer der durchaus umstrittene Robert F. Kennedy, Jr. ist). Eine Einschätzung, die ich an dieser Stelle nicht weiter kommentiert werden soll.

Wie noch zu zeigen sein wird, sind jedoch die ersten kritischen Äußerungen von Peter Doshi – wenigstens zum Teil – mittlerweile selbst im Expertengremium der deutschen Bundesregierung angekommen und dem dominanten Diskurs auch – glücklicherweise – nicht mehr so fremd (der Virologe Hendrik Streeck und die Ärztin und Arzneimittelexpertin Petra Thürmann äußersten sich ebenfalls öffentlich kritisch in Bezug auf die Forschungsergebnisse der Zulassungsstudien; allerdings nur mündlich und sehr knapp). Endlich mag man sagen. Daher ist es höchst unseriös und in meinen Augen tendenziell totalitär, die Argumente eines einzelnen, fachlich hoch kompetenten Wissenschaftlers, Peter Doshi, der zudem überhaupt keine außergewöhnlichen „conflict of interests“ hat, dadurch zu desavouieren, weil er „von den falschen Gruppen“ eingeladen wurde. Dies ist (neostalinistische?) Gesinnungsethik und keineswegs wissenschaftliche Verantwortungsethik. Man könnte es auch als eine spezialisierte Form von „Cancel Culture“ bezeichnen; virtuell gewissermaßen.

Das oft zur Legitimation dieser Ausgrenzung unliebsamer Gruppen gehörte, zumeist taktische, Argument, dadurch sollten „rechte Gruppen“ von einer Machterhaltung und hegemonialen Stärkung abgehalten werden, ist überhaupt nur diskutabel, wenn gezeigt werden könnte, dass die Argumente falsch oder zumindest höchstwahrscheinlich falsch sind. Es ist jedoch ein hohes Maß an Doppeldenk bei diesem (linksilliberalen?) Räsonnieren dabei, denn diese taktischen, gewissermaßen politisch-hygienischen, Argumente des Mainstream-Diskurses können nur überzeugen, wenn sie sich mit den Argumenten selbst auseinandergesetzt haben und neben ihrer Infragestellung aufdecken konnten, dass sie strategisch eingesetzt wurden und werden, um „das System“ in der gewollten Weise des politischen Rechtsextremismus zu destabilisieren. Das ist bisher nicht geschehen, nicht zuletzt auch nicht im Hinblick auf Peter Doshi, dank Youtube und anderen – mehr oder weniger – freiwilligen (Selbst-)Zensoren. Folglich ist das im Fall Peter Doshi nur als (unwürdiges) politisches Theater zu kritisieren. Es kann halt nicht sein, was nicht sein darf. Aufklärung sieht anders aus.

Es ist daher eine ausgemachte politische Katastrophe und ein Versagen der politischen „Linken“ auf ganzer Linie, was immer man unter diesem Label noch ernsthaft verstehen will, dass die auf kritische Aufklärung setzenden Thesen von Peter Doshi (u.a.) nur vom parlamentarischen Arm des politischen Rechtspopulismus oder gar Rechtsextremismus (AfD) genutzt werden, um kritische Fragen zu stellen (hier etwa eine parlamentarische Anfrage, nebst der amtlichen Regierungsantwort, der bayerischen AfD-Fraktion). Es ist langsam, wenn denn überhaupt noch, Zeit, dass die politische Linke aufwacht, sonst bewegt sie sich dahin, wohin sie sowieso schon auf dem Weg ist: in die politische Belang- und Einflusslosigkeit (das gilt im Übrigen auch für die „tollen“, aber keineswegs „linken“, Regierungsparteien SPD und Bündnis90/Die Grünen). Das Starren auf die Schlange, hat bekanntlich das Kaninchen vor dem Vertilgtwerden auch nicht bewahrt. Es hätte lieber aktiv werden sollen.

Das Problem der Operationalisierung der Endpunkte im Prozess einer „beschleunigten Zulassung“

Zur Veröffentlichtung der Studienprotokolle von Moderna, Pfizer, AstraZeneca und Janssen (Johnson & Johnson), die zu Beginn der Phase-3-Phase erfolgten, verfasste Peter Doshi nicht nur ein Editorial in der Printausgabe des BMJ (BMJ 2020a), sondern auch einen eigenen kurzen Beitrag, der die Endpunkte andiskutierte (BMJ 2020b). Seine Argumente sind bestehechend und überzeugend. Er begrüßt die (bislang in diesem Umfang einzigartige) Veröffentlichung der Protokolle als „historische Möglichkeit zur Demokratisierung der Wissenschaft“ (BMJ 2020a: 2; eigene Übersetzung). Allerdings halte die „Transparenz“ nicht, was sie verspreche, denn die veröffentlichten Protokolle seien zu kritisieren.

Erstens seien die Endpunkte der Studien nicht „schwere Verläufe“ oder „Krankenhausaufenthalte“, sondern setzten als „primary endpoints“ ziemlich unspektakuläre und gesundheitspolitisch wenig hilfreiche Kriterien. Primäre Endpunkte aller Studien sind laborbestätigte (PCR-Test) Covid-19-Infektionen mit milden Symptomen (Husten, Kopfschmerzen, Fieber, Halsschmerzen). Sein Urteil ist kurz und knapp:

„These studies seem to answer the easiest question in the least amount of time, not the most clinically relevant questions.“

(BMJ 2020a: 1)

Zweitens stimmte die US-Zulassungsbehörde dem Design und Festlegung der Endpunkte zu (Doshi zitiert dieses Dokument) und legte die „efficacy“, d.h. Wirksamkeitsschwelle auf 50 Prozent zwischen Interventions- und Placeboarm fest. Diese relative Risikoreduktion ist relativ nichtssagend und ist zum Beispiel dann erreicht, wenn die Anzahl der Erkrankten in der Interventionsgruppe, also derjenigen Gruppe, die „geimpft“ wurden, um 50 Prozent (bei Beachtung des Konfindezintervalls sogar nur „30 Prozent“) niedriger liegt. Ein Zahlenbeispiel (zu den echten Zahlen komme ich noch): nehmen wir an, dass in der Interventionsgruppe 10 Erkrankte (von insgesamt 20.000 Studienteilnehmern in diesem Arm) auftreten und in der Placebo-Gruppe, die eben keine mRNA, sondern eine einfache Salzlösung gespritzt bekamen, „nur“ 13 an Covid-19 Erkrankte, würden diese Ergebnisse die Wirksamkeit des Impfstoffes nach der Festlegung der Wirksamkeitsschwelle ausreichend nachweisen. Das ist nun aber natürlich nur ein propädeutisches Beispiel. Wie sahen denn die Ergebnisse bei den Studien selbst aus?

Pfizer informierte, dass unter 44.000 Teilnehmern an der Zulassungsstudie 170 Covid-19-Fälle auftraten, davon 162 in der Placebo-Gruppe und 8 in der Interventionsgruppe. Bei Moderna war es nicht anders: die 95 Covid-19-Erkrankungen verteilten sich im Verhältnis von 90 zu 5 auf die beiden Gruppen, bei insgesamt 30.000 Freiwilligen Studienteilnehmer:innen. Die relative Risikoreduktion, die die Impfstoffe erzielten, war folglich in beiden Studiendesings um ein Vielfaches höher als die Zulassungsbehörden forderten: sie erzielten eine ca. 95-prozentige Wirksamkeit (162/170 bzw. 90/95). Jetzt wird’s knifflig. Diese relative Risikoreduktion bedeutet was?

Die relative Risikoreduktion sagt aus, wie hoch die prozentuale Absenkung der Erkrankten mit Impfstoff und ohne Impfstoff ist: 162/170 bzw. 90/95. Aber es wurden doch – bei den Pfizer-Studien – 22.000 Teilnehmer:innen und – bei den Moderna-Studien – 15.000 Teilnehmer:innen geimpft. Was ist mit denen? Fallen die alle raus? Nein. Das ist das zweite Problem: die relative Risikoreduktion ist recht wenig aussagekräftig. Um die Bedeutsamkeit der Zulassungstudien zu bemesser, muss dafür auch die absolute Risikoreduktion (ARR) betrachtet werden. Wie berechnet man die? Ganz einfach, man bezieht in das bereits bekannt gemachte Verhältnis (162/170 bzw. 90/95) noch die Größe der beiden Studienarme ein. Dass sieht dann so aus:

Pfizer: ARR (Absolute Risikoreduktion) = Risiko_Placebogruppe – Risiko_Interventionsgruppe, d.h.: 162/22.000 – 8/22.000 = 154/22.000 = 0,007 (d.h. 0,7%). Der ARR-Wert für Moderna ist entsprechend: 0,0057 (0,57%). Hört sich nicht mehr so beeindruckend an, oder? Kein Wunder, dass diese Prozentzahl – außer von Wolfgang Wodarg und eben Peter Doshi, der diese Kennziffer jedoch in seinem Blog-Beitrag gar nicht erläuterte, weil er wohl davon ausging, dass seine Leser:innen diese elementare Zahl richtig interpretieren können – in der Öffentlichkeit praktisch nie geäußert wurde. Denn was sagt sie aus? Sie sagt u.a. aus, dass der Kehrwert des ARR-Wertes die Anzahl bestimmt, wieviele Impfungen durchgeführt werden müssen, dass nur „1“ (!) Erkrankung an Covid-19 verhindert wird, und zwar genau nach der Definition, die in den Studienprotokollen zugrundegelegt wurden!

Mit Pfizer/Biontech müssen also 143 Personen geimpft werden (=22.000/154), damit „1“ Fall einer Covid-19-Erkrankung mit Husten, Halsschmerzen etc. verhindert wird. Entscheidend ist, dass dieser primäre Endpunkt keine „schweren Verläufe“ spezifiziert, sondern dass die Studie die Wirksamkeit nachgewiesen hat, wenn nur möglicherweise „leichte Fälle“ verhindert wurden. Genau hier setzt die Kritik von Peter Doshi an. Rechnen wir mal weiter, wenn man 1.000.000 Covid-19 Erkrankungen verhindern will, muss man nach diesen Zahlen 143 Millionen Menschen impfen. Die Effektivität ist also ziemlich lau. Wie soll das in Deutschland, das nur 80 Millionen Fälle hat funktionieren?

Nun, ja, wenden jetzt ganz Pfiffige ein, die Impfung verhindert ja auch Ansteckungen, so dass die Anzahl der Impfungen gar nicht so hoch sein muss. Falsch. Denn dieser Endpunkt, die Verhinderung von Ansteckungen mit Covid-19, wurde überhaupt nicht untersucht. Warum? Weil die Unternehmen uns manipuliert haben? Nein. Zunächst ganz einfach deswegen, weil die Pharmaunternehmen dies nicht bewerkstelligen konnten. Warum nicht. Hören wir Tal Zacks, den leitenden Arzt bei Moderna, den Peter Doshi zitiert:

„Our trial will not demonatrate prevention of transmission,“ Zaks said, „because in order to do that you have to swab people twice a week for very long periods, and that becomes operationally untenable.“

(BMJ 2020b: 3)

Da die Zulassungsstudien nur kurze Zeit liefen, gerade auch wegen der (unterstellten) „Dringlichkeit“ der – wohl schon sowieso politisch geplanten – Zulassung ist das natürlich zu aufwändig, teuer und langwierig. Die Pharmaunternehmen sollten (oder wollten?) ja schnell liefern. Die – nicht nur in den USA, sondern auch in der EU – angelegte „beschleunigte Zulassung“ wurde vor nicht allzu langer Zeit in das Zulassungsregime der beiden Behörden (FDA und EMA) eingerichtet und eine schnellere Zulassung bei besonderen Gesundheitsgefährdungen ermöglicht (Mosebach 2022). Und nicht nur die Transmissionseinschränkung ist mit dem festgelegten „Endpunkt“: symptomatische Covid-19-Infektion (positiver PCR-Test) ausgeschlossen, sondern auch das im weiteren Verlauf besonders wichtig werdende Merkmal schwerer Verläufe oder „Hospitalisierungen“. Warum wurde dies nicht in den Zulassungsstudien verfolgt, obwohl das doch völlig klar war, dass dies – Überlastung des Gesundheitssystems – das Hauptziel war? Wieder ganz einfach, es hat hauptsächlich mit „Zahlen“ zu tun, im Original:

Severe illness requiring hospital admission, which happens in only a small fraction of symptomatic covid-19-cases, would be unlikely to occur in significant numbers in trials. Data published by the US Center for Disease Control and Prevention in late April reported a symptomatic case hospitalisation ratio of 3.4% overall, varying from 1.7% in 0-49 year olds and 4.5% in 50-64 year olds to 7.4% in those 65 and over. Because most people with symptomatic covid-19 experience only mild symptoms, even trials involving 30.000 or more patients would turn up relatively few cases of severe disease.

BMJ 2020b: 2

Ein solche Studie, die ausreichend Hospitalisierungen „produziert“ müsste nicht nur länger dauern, und vor allem wohl im Winter laufen, sondern einen erheblichen Umfang haben. Gemessen an den 30.000 Studienteilnehmern von Moderna, in denen 95 Fälle auftraten (also: 0,0032 = 0,32 Prozent; das wäre die „Studienprävalenz“), müsste die Größe der Studienpopulation riesige Ausmaße annehmen um statistisch auch nur einen „Krankenhausfall“ zu produzieren. Angenommen die 95 Fälle wären in der Altersgruppe der 50-64 Jährigen angesiedelt, würde das bedeuten, dass unter den diesen 95 Fällen etwa 4 Hospitalisierungen (=4,5 Prozent von 95) anfallen würden (0,04275). Um statistisch ausreichende Krankenhausfälle zu kreieren (etwa 160 in den Studien als statistische Power anvisiert), müssten folglich mehr als 40×30.000 Teilnehmer:innen in den Studien vorhanden sein = mind. 1,2 Millionen Studienproband:innen! Eine solche Studie hätte Jahre gedauert und vermutlich Millarden an US-Dollar gekostet.

Die Wahl des simplen Endpunktes hatte somit auch logistische (und monetäre) Gründe. Warum wurde dann aber vielen Verlautbarungen – nicht nur in den USA ! – die Impfungen als „die“ Lösung dargestellt? Hier kommt ein weiteres Argument der Pharma-Industrie zum Tragen. Der Moderna-Chefarzt geht davon aus, dass das Verhindern von „leichten Fällen“ auch „schwere Fälle“ verhindern würde, das wisse man aus Studien zur saisonalen Influenza-Grippe. Dieses Argument ist jedoch – nicht nur nach Auffassung von Peter Doshi – im Hinblick auf die Evidenzlage bei Grippe-Impfungen nicht haltbar. Seine evidenzgestützten Argumente sind vernichtend:

Although randomised trials have shown an effect in reducing the risk of symptomatic influenza, such trials have never been conducted in elderly people living in the community to see whether they save lives.

Only two placebo controlled trials in this population have ever been conducted, and neither was designed to detect any difference in hospital admission or deaths. Moreover, dramatic increases in use of influenza vaccines has not been associatied with a decline in mortality.

BMJ 2020b: 3

Insgesamt ergibt sich dadurch als erstes Fazit die Einsicht, dass die Zulassungsstudien keine Hoffnung legen (können) auf eine Reduktion der Transmissionen von Covid-19-Infektionen noch auf die Verhinderung von schweren Verläufen, Hospitalisierungen oder Todesfällen. Wieso dann die Impfungen als „Lösung“ oder gar „Beendigung“ der Covid-19-Pandmie deklariert wurden und werden, entzieht sich zumindest auf der Grundlage der Zulassungsstudien jedweder Logik (auf andere Studien, die die Wirksameit der Impfstoffe nach den Zulassungstudien behaupten, gehe ich weiter unten ein…folgt noch). Ein Einstieg in die Konstruktion der Studien in Einzelnen wird diese ersten Einschätzungen noch erhärten. Sehen wir uns im Folgenden die späteren BMJ-Blog-Beiträge von Peter Doshi genauer an, die er in der „zweiten Welle“ veröffentlichte und die sich auf die „Rohdaten“ beziehen, die einige Journals veröffentlichten (BMJ 2021).

Studienprotokolle, Rohdaten und die Kalkulation der Wirksamkeitsziffer(n) – Abgründe der Zulassungsstudien

…to be continued

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