August 25, 2022

Der Winter naht, die nächste Impfung auch – aber zu früh? Corona-Maßnahmen-Chaos, die Dritte

Die Sars-CoV-2 induzierte Sommergrippe in diesem Jahr hatte es in sich. Wer bis 10 nicht auf den Bäumen bzw. in der Selbstisolation war, wurde von dem Virus (jetzt: Omikron-Variante) erwischt. Die Sterblichkeit blieb allerdings trotz der enorm hohen „Fallzahlen“ (Meldedaten!) niedrig. Und das soll – laut unserem Bundesgesundheitsminister auch so bleiben:

„Wir werden sehr viele Fälle haben, aber sie werden nicht so tödlich verlaufen wie die Delta-Fälle“.

Lauterbach lt. Ärzteblatt-Online vom 03.08.22

Wieso auf die Omikron-Variante die Delta-Variante-Minus folgen soll, bleibt in der Argumentation des Ministers unklar. Aber seit einiger Zeit warnt er ja vor einer teuflischen Vermählung hoher Fälle à la Omikron und einer tödlichen Variante á la Delta. Aber so schlimm werde es nicht, suggeriert er. Außerdem:

„Außerdem werde es bald vier neue COVID-19-Impf­stof­fe geben, kündigte der Minister an.“

Ärzteblatt-Online vom 03.08.22

In jedem Fall haben er und der liberale Justizminister Buschmann schon mal einen Vorschlag entwickelt für die Fortschreibung des Infektionenschutzgesetzes, das einerseits einen Schutz der vulnerablen Gruppen und die Vermeidung von hohen Todeszahlen sich zum Ziel setzt, andererseits jedoch einen erneuten Lockdown in jedem Fall vermeiden will. Selbst 2G- oder 3G-Regelungen soll es nicht geben. Glauben wir es mal.

Manche Ländervertreter vermissen – wieder einmal – klare Vorgaben des Bundes, ab wann über die „allgemeinen Vorsorgemaßnahmen“ hinaus gegangen werden kann. Manche wollen die 2G- oder 3G-Regelungen gern als Option behalten – so die grüne Gesundheitsministerin, Manne Lucha, aus Baden-Württemberg. Und auch die Ausnahmen von der – sonst obligatorischen – Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Räumen für geimpfte und genese Personen, die aber ansteckend sein können, sieht sie kritisch.

An dieser Stelle soll keine Analyse der Erneuerung des Corona-Schutzmaßnahmen-Regimes stehen. Allerdings gibt es eine Blüte in der Argumentation des Konsens der Bundesregierung, der irritiert. Am 24.08.22 berichtete das Ärzteblatt (online) darüber, dass die Bundesregierung zum Teil auf die Kritik aus den Ländern eingegangen ist – sonst würde der Gesetzentwurf ja auch durchfallen – und z.B. wurden die zwingenden Ausnahmen von der Maskenpflicht für genese und geimpfte Personen kassiert. Das können die Länder jetzt selbst entscheiden.

Doch die Kritik aus den Bundesländern verstummt nicht. Allerdings ist der Vorwurf eines Flickenteppichs reichlich dümmlich, denn das haben die Länder durch das oben beschriebene abgerungene Zugeständnis selbst verursacht. Offenbar gibt es dezidiert unterschiedliche Vorstellungen eines neuen Corona-Maßnahmen-Regimes. Die Kritik aus Bayern, dass es „nachvollziehbarer Parameter“ bedürfte, wann bestimmte Maßnahmen ausgelöst würden, dürfte vor allem darauf hinweisen, dass sich die Länder außerstande fühlen, dies selbst zu erarbeiten. Kein Wunder, denn der öffentliche Gesunheitsdienst ist jahrzehntelang totgespart worden. Es geht also immer wieder um’s liebe Geld.

Nun aber zu der Blüte, von der ich oben sprach. Der Kern der allgemeinen Vorsorgestrategie des von Lauterbach/Buschmann nun vorgelegten Konzeptes besteht aus der Kombination von Maskenpflicht, Test- und Impfstrategie. Zunächst soll in Flugzeugen und Fernzügen zwingend eine FFP-2-Maskenpflicht gelten – eine Verschärfung der bisherigen Irgendwie-Masken-Pflicht dort. Die Länder können für den öffentlichen Nahverkehr nachlegen. Liegt eine „negativer Test“ vor soll es eine „zwingende Ausnahme“ von der Maskenpflicht beim „Besuch von Kultur-, Freizeit- oder Sportveranstaltungen und in der Gastronomie“ (ebd.) geben.

Nun meint aber Karl Lauterbach, dass Schnelltests bei Geimpften und Ungeimpften unterschiedlich anschlagen würden. Kommt es somit auf Länderebene dann wieder doch zu 2G- oder 3G-Regelungen? Denn wenn die Behauptung stimmen würde – er belegt es in seinem politischen Statement natürlich nicht – wäre die im Konsenspapier eingebrachte „zwingende Ausnahme“ bei Vorlage eines negativen Tests sinnwidrig. Im Beitrag des Ärzteblattes wird diese „Option“ – wobei unklar ist, was das für eine Option sein soll – folgendermaßen beschrieben:

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte heute diese Option. „Die Schnelltests schlagen, wenn man ansteckend ist, sehr gut an.“ Geimpfte zeigten oftmals zunächst Symptome, noch bevor sie anste­ckend seien und der Test positiv ausfalle. Andersherum sei dies aber bei Ungeimpften, dort könne die Viruslast bereits sehr hoch sein und die Menschen bereits ansteckend, bevor der Test positiv sei, erklärte Lauterbach.

Ärzteblatt-Online vom 24.08.22

Wer aber ist nun nach Sachlage zum 01.10.22, an dem die Corona-Maßnahmen-Novelle greift, „ungeimpft“? Nun hier liegt der Hase im Pfeffer. Im vorliegenden Kabinettsbeschluss wird unbegreiflicherweise von der Impfung nicht gesprochen; zumindest das Ärzteblatt berichtet hiervon nicht. Aber in dem oben bereits genannten Beitrag vom 03.08.22 wird vom Status „frisch genesen“ gesprochen. Dieser Status gelte – so Lauterbach – wie beim analogen „frisch geimpft“ für 90 Tage nach Genesung oder Impfung. Es ist unklar, ob mit der Kabinettsentscheidung dieser Passus gestrichen worden ist. Gut wäre es, denn er widerspricht der STIKO-Empfehlung, dass eine erneute (Auffrischungs-)Impfung frühestens sechs Monate nach der letzten Erkrankung bzw. Impflung durchgeführt werden sollte (schauen Sie auf Ihre Impf-App bzw. das Impf- bzw. Genesenenzertifikat!). Warum schwafelt also der Minister von „frisch Genesenen“ oder „frisch Geimpften“?

In demselben Bericht des Ärzteblattes wird Lauterbach zitiert, dass „vier neue COVID-19-Impfstoffe“ in der Pipeline seien. Diese würden zum 09.09.22 zugelassen. Die Sommergrippe der Omikron-Variante kletterte im Juni/Juli/August auf ihren Höhepunkt. Ist es Zufall, dass Menschen, die im Juni bereits „erwischt“ worden sind, dann im Oktober sich impfen lassen könn(t)en. Würde man die STIKO-Empfehlung anlegen, würden die in der „Pipeline“ sich befindenen Impfungen wohl teure Flops. Schlecht für Biontech/Moderna und andere Anbieter. Da die Impfstrategie aber eine Bundessache ist, mag sein, dass sie in der Kabinettsentscheidung noch enthalten ist, denn der zweite Ärzteblatt-Beitrag vom 24.08.22 handelte nur von Maßnahmen, die die Konfliktlinien von Bundesregierung und Bundesländern betreffen. Selbst wenn die Lauterbach’sche Impfeempfehlung nur ab 70 Jahre gelten sollte, wie Ulrike Blaureithel im Freitag vom 11.08.22 berichtet und kritisiert, macht es die Sache nicht besser. Hier gilt es nachzuforschen.

Abschließend lässt sich resümieren, dass sich – erneut – die Strategie verdichtet, dass „Ungeimpfte“ wieder die Buhmänner und -frauen werden. Nur dass diesmal bereits drei Mal Geimpfte und Genesene mit dran sind. Anders gefragt: wer schreibt eigentlich die Corona-Maßnahmen-Agenda? Der medizinisch-industrielle Komplex oder neutrale (sofern es die noch gibt) Gesundheitsfachleute? Ich weiß es (noch) nicht. Aber ich habe meine Zweifel an der Prärogative des Bundesgesundheitsministers und seines justitiellen Kumpanen.

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